Der liebe Gott formt den Menschen aus Menschenteig. Sein Engel, der Fingerstrecker, darf die Finger machen. (Er sitzt als Fingerpuppe auf dem Zeigefinger der linken Hand. Auf der rechten sind vorläufig noch keine Puppen. Die linke Hand umfasst zuerst den rechten Zeigefinger und zieht daran.)
Der Fingerstrecker zieht
An jedem Fingerglied.
Er zieht und ziehet fester,
Nun komme, du Zeigeschwester.
(Das Püppchen wird draufgesetzt.)
Zeigefinger:
Trallala!
Ich bin schon da.
(Dasselbe für die Mittelschwester, die Ringsschwester, die kleine Schwester.)
Die vier Finger rufen:Lieber Fingerstrecker! Bitte, bitte, mach uns jetzt vier Brüder. Fingerstrecker:Nein, das geht nicht! Ich habe fast keinen Menschenteil mehr. Die Brüder würden viel zu klein. Die Viere: Lieber Fingerstrecke! Bitte, bitte, mach uns vier ganz kleine Brüder. Fingerstrecker:Nein, das geht nicht! Aber einen großen starken Bruder kann ich euch schon machen.
(Der Fingerstrecker zieht am Daumen)
Der Fingerstrecker zieht
An jedem Fingerglied.
Er zieht und ziehet fester.
Für jede Fingerschwester
Schafft er den Daumenmann,
der tüchtig helfen kann.
Der Daumenbruder gibt zum Schluss
der Zeigeschwester einen Kuss,
der Mittelschwester einen Kuss,
der Ringschwester einen Kuss,
der kleinen Schwester einen Kuss.
Der Morgenhauch, der Morgenhauch,
der hat an meinem Fingerstrauch
die Fingerblume aufgeweckt,
drin war ein Fingerkind versteckt.
Blütenblatt, mach auf!
Fingerlein, wach auf!
Der Abendhauch, der Abendhauch,
der hat am lieben Fingerstrauch
die Fingerblume zugemacht,
da schläft das Kindlein in der Nacht.
Blütenblatt, deck’s zu!
Kindlein, geh zur Ruh!
Beide Handballen mit eingerollten Finger aneinanderlegen. An der rechten Hand sitzen die Fingerpüppchen. Bei „Morgenhauch“ hauchen wir warm durch die Fäustchen, bei „Abendhauch“ wird kühlend geblasen. Die erste Strophe wird fünfmal gesungen, und jedes Mal wacht eins der Fingerkinder auf, gleichzeitig geht auch derselbe linke Finger hoch. Dann wird fünf mal die zweite Strophe gesungen, wobei sich je zwei Finger schließen, bis beide Hände wieder aneinandergedrückt und geballt sind.
Wenn mit einem fühlbar warmen H-Hauch die Fingerblume aufgeweckt wird, fließt der Strom des Blasens als solcher langsam. Dagegen wirbelt der Luftstrom bei einem fühlbar kühlen F oder S so schnell, dass – wie uns Baur erklärte – eigentlich unendlich viele kleinste Wirbel in der Chirophonetik gestrichen werden müssten. Weil das nicht möglich ist, wird z.B. beim S der Laut als einfache Linie gestrichen, die aber in schnellen Wirbeln gedacht werden sollte. So sind F und S ätherisch feurig, H ist dagegen ätherisch kühl.
Dr. phil. Alfred Baur und seine Frau Dr. med. Ilse Baur pflegten über viele Jahr für die Sozialversicherungsanstalt der Bauern im Sommer einen vierwöchigen sprachtherapeutischen Kurs anzubieten, bei welchem alle Arten von Sprechstörungen behandelt wurden.
Die Kurse fanden in einem gemieteten Heim statt, wo grundsätzlich eine ständige Betreuung für die Kinder da war, aus der sie in Gruppen oder einzeln zu ihrer speziellen Sprachbehandlung gingen.
Der Tag begann mit einem großen Morgenkreis. Ein Morgenspruch von Rudolf Steiner wurde gesprochen, dann wurden Lieder gesungen, die Alfred Baur auf seiner Geige begleitete. Die Haupttherapeuten waren das Ehepaar Baur und Roswitha Kloiber. Frau Dr. Baur hatte sich auf die Einzeltherapie bei stammelnden und näselnden Kindern konzentriert. Herr Dr. Baur arbeitete in verschiedenen Altersgruppen an der Behandlung der Kinder, die an Stottern litten und Roswitha Kloiber führte Gruppen zur Behandlung des Dysgrammatismus und der Legasthenie.
Meist waren mehrere Praktikanten als Helfer dabei. Ich nahm auf diese Weise als ausgebildete Sprachheillehrerin einmal an vier Wochen teil. Ich durfte bei den drei Haupttherapeuten hospitieren, bekam aber auch Kinder zur Einzelbehandlung, auch für Chirophonetik. Ich hatte z.B. ein fünfzehnjähriges Mädchen mit Chirophonetik zu behandeln, welches an Stottern litt und Gruppen- als auch Einzeltherapie bekam.
Am Ende der vier Wochen wurde eine kleine Feier veranstaltet, bei der die Kinder kleine „Theaterstücke“ aufführten, die Baur für sie geschrieben hatte. So kam das Buch Kinder spielen Theater zu Stande. Da die kleinen Stücke zeitlos sind, können sie auch heute im Kindergarten, in der Grundschule und bei anderen Gelegenheiten eingeübt und aufgeführt werden.
Sie dienen ganz allgemein der Förderung des richtigen Sprechens.
der Fuchs
seine Frau
ihre Kinder
ein Bauer
möglichst viele Gänschen
Fuchs: Ich bin der Fuchs.
Frau:Ich seine Frau.
Kinder: Wir sind die Füchslein.
Alle:Wir sind schlau!
Frau:Ich bitt' dich, Vater, hol uns gleich,
ein Gänschen von dem Gänseteich.
Kinder:Ach, bring uns bitte neune!
Fuchs: Ja, neune oder keine.
Was ihr nur alles von mir wollt,
ihr Nimmersatt und Fressebold !
Fuchs (kommt zum Teich und sieht die vielen Gänse): Ha, da komm ich ja wie gerufen.
Jetzt stellt euch schön in einer Reihe auf,
daß ich euch bequem schnappen kann.
Gänse:Bitte, Fuchs, laß uns leben, wir sind noch so jung!
Fuchs:Nein, da gibt es keine Gnade. Ihr werdet gefressen.
Gänse:Bitte, Fuchs, laß uns leben, wir schnattern so gerne.
Fuchs: Nein, da gibt es keine Gnade. Ihr werdet gefressen.
Gänse: Bitte, Fuchs, laß uns noch einmal beten,
bevor du uns frißt, damit wir nicht mit Sünden sterben.
Fuchs: Nun gut. Ich habe auch ein paar Sünden.
Betet für mich mit.
(Die Gänse fangen laut zu schnattern an.)
Bauer:Was hör' ich da beim Gänseteich?
Ich renn', daß ich den Fuchs verscheuch'.
(Der Fuchs rennt davon.)
Gänse:Und weil wir nicht gebraten sind
und nicht im Fuchsenloch,
das weiß das allerkleinste Kind,
drum leben wir jetzt noch.
Der Esel in der Löwenhaut
(nach einer Fabel von Äsop)
Personen:
der Müller
der Esel
die Krähe
der Hase
der Vogel Strauß
verschiedene Tiere
Esel:Nein, ich mag mich nimmer plagen.
Alle Tage muß ich tragen,
immerfort die Säcke schleppen.
Sucht euch einen andern Deppen!
Ich bin klug und sehr gescheit,
und vorüber ist die Zeit!
Elendsmüller, schleppe deine
Säcke, wenn du kannst, alleine.
In den Urwald will ich gehn.
Nun auf Nimmerwiedersehn.
Was liegt denn da? Was find' ich denn da auf dem Weg? Das ist doch der Pelz eines Löwen. Der kommt mir gerade recht. Ich schlüpfe hinein und bin schon ein Löwe.
Husch im Busch, jetzt bin ich bald
Herrscher hier im großen Wald.
Alle Tiere werden beben,
zittern um ihr kleines Leben.
Krähe:Hört, ihr Freunde, krah-krah-krah,
hört, ein wildes Tier ist da!
Schlägt euch tot mit seiner Pranke,
frißt euch auf und sagt nicht danke.
Hasen, Rehe, Mäuse usw. schreien: Hilfe, Hilfe, ein Löwe!
Hase: Ach, das nimmt ein böses Ende!
Wenn ich nur ein Grübchen fände.
Renne kreuz und quer im Schrecken,
nirgends kann ich mich verstecken.
Vogel Strauß: Ja, ich weiß, was man da tut.
Fehlt es mir einmal an Mut,
steck' den Kopf ich in den Sand,
und ich bleibe unerkannt.
Esel:Wenn ich wie ein Löwe brülle
und mit Schrecken euch erfülle,
ha, dann werdet ihr erst rennen
und zum König mich ernennen.
(Er versucht zu brüllen, schreit aber:) I -A, I -A, I -A.
Alle kommen hervor und schreien : Das ist ja ein Esel — Esel — Esel
Hase (rennt zum Müller): Wer was weiß, der ist nicht dumm,
und wer redet, ist nicht stumm.
Allen Leuten will ich's sagen:
Ich will heute Löwen jagen.
Höre, Müller, drin im Wald
rennt ein Löwe, hol ihn bald.
Fang ihn doch mit einem Strick,
ist für dich ein leichtes Stück.
Müller:Was, ein Löwe? Fürchterlich!
Himmel, wo versteck' ich mich?
Hase:Nein, kein richtiger, habe Mut,
nur ein Dummkopf, der so tut
wie ein Löwe. Und er ist
nur ein Esel voller Mist.
Müller:Ja, der ist mir durchgegangen.
Eselein, dich will ich fangen!
Komm, mein Freunderl, an den Strick.
Lug und Trug bringt keinem Glück.
Alle: Macht er 's Maul auf, hört man's gleich,
Lug und Trug macht niemand reich.
Esel - Esel - Esel.
Ich bin eine Schnecke, und du bist eine Schnecke
Die erste Schnecke: Ich habe zwei Augen. Ich habe zwei Ohren.
Ich habe eine Nase. Ich habe einen Mund.
Ich habe ein schönes, rundes Haus.
Ich trage mein Haus auf dem Rücken.
Ich gehe in die weite Welt.
Ah, was seh' ich da? Hallo, wer bist denn du?
Die beiden im Wechselgespräch: Ich bin eine Schnecke. — Ich bin auch eine Schnecke.
Ich habe zwei Augen. — Ich habe auch zwei Augen.
Ich habe zwei Ohren. — Ich habe auch zwei Ohren.
Ich habe eine Nase. — Ich habe auch eine Nase.
Ich habe einen Mund. — Ich habe auch einen Mund.
Ich habe ein rundes Haus. — Ich habe auch ein rundes Haus.
Ich trage mein Haus auf dem Rücken. — Ich trage auch mein Haus auf dem Rücken
Ich gehe in die weite Welt. — Ich gehe auch in die weite Welt.
(Jeder zeigt auf sich, dann auf den anderen. Schließlich reichen sie sich beide Hände.)
Die beiden Schnecken zusammen: Ich bin eine Schnecke, und du bist eine Schnecke. Wir gehen miteinander.
Ich habe zwei Augen, und du hast zwei Augen. Wir gehen miteinander.
Ich habe zwei Ohren, und du hast zwei Ohren. Wir gehen miteinander.
Ich habe eine Nase, und du hast eine Nase. Wir gehen miteinander.
Ich habe einen Mund, und du hast einen Mund. Wir gehen miteinander.
Ich habe ein Haus, und du hast ein Haus. Wir gehen miteinander.
Ich trag' mein Haus auf dem Rücken, und du trägst dein Haus auf dem Rücken. Wir gehen miteinander.
Ich gehe in die weite Welt, und du gehst in die weite Welt. Wir gehen miteinander.
(Beide rennen um die Wette. Die Langsamste gewinnt.)